Biomechanik
Biomechanische Forschung
Das Forschungsgebiet der Biomechanik in der Kieferorthopädie beschäftigt sich mit im Allgemeinen mit der Auswirkung von Kraft- und Momentsystemen auf die Bewegung von Zähnen. Die kieferorthopädische Apparatur als Schnittstelle zwischen Biologie und Technologie und Ihre Wirkung sind dabei noch nicht im Detail verstanden. Insbesondere die Effektivität und Reproduzierbarkeit der Krafteinleitung sind durch eine Vielzahl externer Einflussgrößen nur bedingt bekannt. Des Weiteren beeinflussen die großen, biologisch bedingten, individuellen Unterschiede, sowie Unterschiede zwischen den Behandlern die Therapie. Daher ist ein Fokus der Forschung unserer Arbeitsgruppe die Aufdeckung der Einflussgrößen auf die Krafteinwirkung sowie deren Quantifizierung. Die in vitro Simulation von Zahnbewegungen erlaubt es dabei Einflussgrößen zu identifizieren, sowie deren Auswirkungen direkt zu untersuchen.
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- Mathematische Beschreibung auftretender physikalischer Effekte (z.B. Elastizität, Reibung und Dämpfung) zur Modellierung und Berechnung der Krafteinwirkung orthodontischer Apparaturen im Zahn-Kiefersystem
- Apparative Simulation, Erprobung und Auslegungsrechnung für neue kieferorthopädische Geräte
- Experimentelle Prüfung und Weiterentwicklung kieferorthopädischer Materialien, Komponenten und Behandlungsmethoden
- Bereitstellung der Randbedingungen für mechanobiologische Untersuchungen auf zellulärer Ebene
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- Kraftgesteuerte Bewegungssimulation von Zahngruppen mittels eines Hexapoden (HOSEA)
- Kraftgesteuerte Bewegungssimulation von Einzelzähnen mittels eines Sechs-Achs-Roboters (ROSS)
- Torque- / Spiel- Prüfung an Brackets mittels 6-Komponenten Nanosensor Prüfmaschine (TOCA)
- Prüfung der Kraft- und Momententwicklung von Retainern mittels 6-K Nanosensor Prüfmaschine (FRAN)
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ausgewählte Publikationen:
Wichelhaus A, Dulla M, Sabbagh H, Baumert U, Stocker T (2021). Stainless steel and NiTi torque archwires and apical root resorption. J. Orofac. Orthop. 82(1): 1-12. PMID: 32875350 DOI: 10.1007/s00056-020-00244-4.
Gao L, Wichelhaus A (2017). Forces and moments delivered by the PET-G aligner to a maxillary central incisor for palatal tipping and intrusion. Angle Orthod 87(4): 534-541. PMID: 28165289; DOI: 10.2319/090216-666.1.
Wichelhaus A (2017). A new elastic slot system and V-wire mechanics. Angle Orthod 87(5): 774-781. PMID: 28530449; DOI: 10.2319/121516-899
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N. N.
Leiter des Forschungsbereichs Biomechanik
Virtuelle Biomechanik
Die Etablierung virtueller Methoden innerhalb der biomechanischen Forschung erweitert die Palette von Mess-, Simulations-, Therapie- und Entwicklungsmethoden erheblich. Durch die Erzeugung virtueller Zahn- bzw. Kiefermodelle können Therapien digital geplant werden. Des Weiteren erlauben die virtuellen Modelle die Anwendung von Finite Element (FE) Simulationen, um Spannungen und Dehnungen bei in vivo sehr schwer zugänglichen Gewebebereichen abzuschätzen. Nicht zuletzt können diese Simulationen auch zur Entwicklung neuer Behandlungsmethoden verwendet werden. Es ist damit möglich analog zur Entwicklung in der Industrie neue Apparaturen virtuell zu planen und auszuwerten bevor ein physisches Modell erstellt wird.
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- Digitalisierung der Zahnstellungen mit Scan- und Messverfahren, u.a. zur virtuellen Diagnostik
- Umsetzungsgenauigkeit virtuell geplanter Apparaturen und Bracketpositionen
- Anwendung von künstlicher Intelligenz (Deep Learning) bei kieferorthopädischen Fragestellungen
- Finite-Elemente-Simulation der Kräfte und Spannungen im Zahn-Kiefersystem und der erwirkten Zahnbewegung
- Abgleich von Messung und Simulation zur Optimierung der Wirkung kieferorthopädischer Behandlungstechniken
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- Finite Elemente Simulationen
- Additive Fertigung (SLA, FDM)
- Virtuelle Planung
- CAD
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ausgewählte Publikationen:
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N. N.
Leiter des Forschungsbereichs Biomechanik
Werkstoffprüfung
Zur Ermittlung der physikalischen, chemischen oder technischen Eigenschaften von Werkstoffen müssen diese geprüft werden. Zur Gewährleistung von Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit erfolgen diese Prüfungen unter definierten Bedingungen an normierten Werkstoffproben (Materialuntersuchung) oder an fertigen Bauteilen (Bauteilprüfung). Die mit diesen Verfahren ermittelten Material- oder Bauteileigenschaften werden unter anderem als Eingangsparameter für FE-Simulationen verwendet. Die Kenntnis über das Werkstoffverhalten bei bestimmten Bedingungen erlaubt es Behandlern dabei auch für jeden Behandlungsschritt optimale Werkstoffe bzw. Bauteile auszuwählen.
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- Planung und Durchführung experimenteller Verfahren zur Charakterisierung der Materialeigenschaften (z. B. Elastizität, Reibung und Haftung) kieferorthopädischer Komponenten
- In-vitro Messung der Entfaltung und Übertragung von Kräften und Momenten durch kieferorthopädische Geräte auf das Zahn-Kiefersystem
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- Abscheruntersuchungen
- Friktionsuntersuchungen
- 3 Punkt Biegeversuche
- Zugversuche
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ausgewählte Publikationen:
Li H, Stocker T, Bamidis EP, Sabbagh H, Baumert U, Mertmann M, Wichelhaus A (2021). Effect of different media on frictional forces between tribological systems made from self-ligating brackets in combination with different stainless steel wire dimensions. Dent. Mater. J. PMID: 34193727 DOI: 10.4012/dmj.2020-424.
Keller A, Heller L, Baumert U, Claussen C, Bamidis EP, Wichelhaus A (2021). Physical behavior of pre-strained thermoset and thermoplastic orthodontic chains. Dent. Mater. J. 40(3): 792-799. PMID: 33716276 DOI: 10.4012/dmj.2020-192.
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N. N.
Leiter des Forschungsbereichs Biomechanik
Roboter
Zur Bewegungssimulation kieferorthopädischer Apparaturen wurden biomechanische Versuchsstände entwickelt die auf dem Prinzip der direkten kraftgeregelten Steuerung basieren. Diese Versuchsstände bestehen jeweils aus einem Kraftsensor, einem oder mehreren Steuerrechnern und einer kinematischen Maschine. Bei den im Biomechaniklabor eingesetzten kinematischen Maschinen handelt es sich, um einen Hexapoden (parallelkinematische Maschine) und einen Sechs-Achs-Roboter (offene kinematische Kette).
Als Messkomponente dienen in den Versuchsständen Sechs-Komponenten Sensoren ausgestattet, die in der Lage sind Kräfte und Momente in allen drei Raumrichtungen, in hoher Auflösung aufzuzeichnen.
Die von den Sensoren gemessenen Kraft- bzw. Momentwerte werden in den Steuerrechnern in Bewegungsbefehle umgewandelt. Diese Bewegungsbefehle sind derart gestaltet, dass sie zu einer Verringerung der gemessenen Kraft führen. Das heißt vereinfacht gesagt, die Bewegung findet in dieselbe Richtung wie die gemessene Kraft statt. Die Bewegung wird so lange durchgeführt bis sich der gemessene Kraftwert asymptotisch einer Kraft von Null bzw. einem festgelegten Grenzwert annähert.
Diese Art der Bewegungssteuerung erlaubt es die in vivo auftretenden Bewegungen in vitro zu simulieren. Die zu vermessenden Zähne (z.B. Frontzahn, Eckzahn, Frontzahnsegment, usw.) werden dazu an den Sensoren befestigt. Der Hexapod verfährt den restlichen Zahnkranz relativ zum zugehörigen festen Frontzahnsegment in Abhängigkeit der gemessenen Kräfte und Momente. Der Roboter dagegen verfährt den zu untersuchenden Zahn relativ zum festen Zahnkranz wiederum in Abhängigkeit von den gemessenen Kräften und Momenten. Die Art der Steuerung erlaubt also eine Bewertung der auftretenden Kräfte und Momente, sowie einen Vergleich der Effizienz verschiedener Behandlungsmethoden.
Biegeversuch
Der Biegeversuch ist ein Teil der Werkstoffprüfung. Diese dient im Allgemeinen dazu die verwendeten Werkstoffe auf die physikalischen, chemischen und technologischen Eigenschaften zu untersuchen. Die Werkstoffprüfung findet entweder an normierten Werkstoffproben statt oder direkt an fertigen Bauteilen. Um die Eigenschaften der Materialien beurteilen zu können, sollte möglichst mit von der Geometrie des Bauteils unabhängigen Parametern gearbeitet werden. So erfasst man beim Zugversuch Spannung und Dehnung, die jeweils von der zugrundeliegenden Geometrie des Bauteils unabhängig sind. Bei der Untersuchung von Bauteilen muss man oft auf geometrieabhängige Größen zurückgreifen. Dies ist z.B. beim Biegeversuch der Fall, bei dem Kraft und Weg aufgenommen werden. Der Zugversuch gibt damit an, bei welcher Auslenkung eines bestimmten Bauteils welche Rückstellkraft zu erwarten ist. Dazu wird das zu untersuchende Bauteil mit einer definierten Länge eingespannt und mit einer Auslenkung beaufschlagt. Die dabei gemessene Rückstellkraft erlaubt einen Rückschluss auf die auftretenden Kräfte. In der Kieferorthopädie werden diese Untersuchungen oft an Drähten bzw. Bögen durchgeführt um ihre Kraftentwicklung bei Auslenkung zu erfassen.
FEM
Die Finite Elemente Methode erlaubt die Simulation verschiedener physikalischer Phänomene an einer Vielzahl von Modellen. Dabei werden zunächst die zu untersuchenden Modelle digitalisiert oder direkt virtuell erstellt. Nach der Übernahme der Modelle in ein Finite Elemente.