Wolfgang Putz, Rechtsanwalt und Experte für Medizinrecht Patientenrechte am Ende des Lebens aus München, der mit seiner Verfassungsbeschwerde wesentlich zum Urteil des Verfassungsgerichtes beigetragen hat, appellierte an die Ärzteschaft, Standards zur Feststellung der Freiverantwortlichkeit eines Suizidwunsches zu etablieren, um für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Dies könne weder vom Gesetzgeber noch von den Gerichten kompetent geleistet werden. Prof. Thomas Pollmächer (Klinikum Ingolstadt) thematisierte aus psychiatrischer Sicht die Herausforderungen solcher Begutachtungen. So könne die freie Willensbildung weder durch die Nachvollziehbarkeit eines Suizidwunsches belegt werden, noch könne sie aufgrund einer psychiatrischen Erkrankung ausgeschlossen werden. Prof. Georg Marckmann (Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin, LMU München) erweiterte die Perspektive von einem Schutzkonzept zu einem Unterstützungskonzept für Menschen mit Sterbewünschen. Es sollte nicht nur die Selbstbestimmungsfähigkeit geprüft, sondern im Sinne eines „Shared Secision Making“ gemeinsam mit den Patienten individuelle Wege erarbeitet werden.
Prof. Sabine Gleich berichtete über eine Studie des Gesundheitsreferats der Stadt München und des Instituts für Rechtsmedizin der LMU zu den in München in den Jahren 2020-2023 durchgeführten Suizidassistenzen. Die Zahlen seien jährlich angestiegen auf insgesamt 77 Fälle, begleitet von einer kleinen Zahl ärztlicher Suizidhelfern, die für Sterbehilfeorganisationen tätig waren. Auffällig waren Hinweise auf fehlende Schutzkonzepte für besonders gefährdete Gruppen (z.B. Personen mit vorangegangenen Suizidversuchen) sowie auf Komplikationen bei einem eingesetzten Arzneistoff. Prof. Michael von Bergwelt (Medizinische Klinik III, LMU Klinikum) verwies auf die Erfolge in seinem Fachgebiet, der Onkologie. Diese ermöglichten es Patienten, immer länger und besser mit einer Krebserkrankung zu leben. Vor diesem Hintergrund warnte er vor den möglichen Auswirkungen einer steigenden Präsenz von Suizidassistenz in den sozialen Medien. Diese könnte zu einer unseriösen und leichtfertigen Einrede von Suizidwünschen führen.