Ursachen
Jedes achte Paar bleibt ungewollt kinderlos. Die Gründe für einen unerfüllten Kinderwunsch können sehr vielfältig sein. Neben verschiedenen Umwelteinflüssen ist auch das gestiegene Alter der Frau bei Planung der ersten Schwangerschaft ein Grund, dass immer mehr Paare betroffen sind. Eine eingeschränkte Fruchtbarkeit bzw. Unfruchtbarkeit betrifft Frauen und Männer gleichermaßen.
Ursachen bei der Frau
Die Ursachen für eine eingeschränkte Fruchtbarkeit bei der Frau können sein: Hormonelle Veränderungen, Verschluss oder Funktionsverlust der Eileiter, Veränderungen in der Gebärmutter, eine vorzeitige Erschöpfung der Eileiter, Erkrankungen wie Endometriose oder das PCO-Syndrom.
Störungen des Hormonhaushaltes gehören bei Frauen zu den häufigsten Ursachen. Das Eibläschenwachstum wird von Hormonen der Hirnanhangsdrüse gesteuert (FSH, LH). Häufig werden zu geringe Mengen von diesen Hormonen produziert, so dass das Eibläschen nicht vollständig heranreift und springen kann. Diese Störung kann anlagebedingt sein, aber auch bei Frauen, die sehr intensiv (Leistungs)sport treiben oder untergewichtig sind kann dies auftreten. Eine Erhöhung des Hormons Prolaktin, das für die Milchbildung während der Stillphase verantwortlich ist, verhindert den Eisprung. Eine Erhöhung des Prolaktinwertes kann auftreten durch: Stress, bei einer Unterfunktion der Schilddrüse, Einnahme von bestimmten Medikamenten und bei Tumoren der Hirnanhangsdrüse. Eine Erhöhung von männlichen Hormonen kann ebenso den Eisprung verhindern. Bei Frauen können männliche Hormone aus der Nebenniere, aus dem Eierstock und bei Übergewicht aus dem Gewebe kommen. Ausgeprägt ist dies bei einem PCO-Syndrom oder einem late-onset AGS der Fall. Auch eine Schilddrüsenfunktionsstörung kann ein Grund sein. Des Weiteren kann ein Mangel an Progesteron (Gelbkörperhormon) unter Umständen der Grund für eine fehlende Einnistung der Eizelle sein. Die meisten Hormonstörungen verursachen Zyklusstörungen. Entweder ein zu kurzes Zyklusintervall, ein zu langes Zyklusintervall, Zwischenblutungen oder prämenstruelle Schmierblutungen.
Bei einem Verschluss der Eileiter bzw. einer gestörten Funktion der Eileiter kann der Samen nicht zu dem gesprungenen befruchtungsfähigen Ei gelangen und die befruchtungsfähige Eizelle erreicht nicht die Gebärmutter. Gründe für einen Verschluss können sein: Verwachsungen nach einer Bauchoperation, Infektion durch verschiedene Erreger, z.B. durch Chlamydien oder Endometriose. Manchmal ist auch nur ein Eileiter verschlossen. Bei einer gestörten Funktion der Eileiter ist das Risiko einer Eileiterschwangerschaft erhöht.
Es gibt angeborene Fehlbildungen der Gebärmutter, die es dem Embryo erschweren können sich einzunisten oder zu vermehrten Fehlgeburten führen können. Fast ein Drittel aller Frauen über 30 Jahren hat gutartige Knoten in der Gebärmutterwand, sogenannte Myome. Je nach Lage und Größe können Myome die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. In der Gebärmutterschleimhaut, dem Endometrium, können größere Polypen die Einnistung des Embryos behindern. Bei manchen Frauen, insbesondere nach mehreren Ausschabungen, kann die Schleimhaut so stark beschädigt sein, dass sie sich bis zum Eisprung nicht ausreichend aufbauen kann und den Embryo aufnehmen kann.
Endometriose ist eine gutartige Erkrankung der Frau, bei der sich das Endometrium, die Gebärmutterschleimhaut, außerhalb der Gebärmutterhöhle befindet und dort zu lokalen Entzündungsreaktionen führt. Sie kann die Eierstöcke, die Eileiter, das Bauchfell, aber auch die Harnblase, den Darm und weitere Organe betreffen. Viele Frauen wissen nicht, dass sie von einer Endometriose betroffen sind, dies wird häufig erst bei unerfülltem Kinderwunsch diagnostiziert. Es wird geschätzt, dass ca. 20 – 50 % aller Kinderwunschpatientinnen eine Endometriose haben. Häufig verursacht die Endometriose Schmerzen bei der Regelblutung und / oder beim Geschlechtsverkehr. Sie kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen, in dem sie unter anderem die Eileiter verschließt, im Eierstock zu einer Zystenbildung führt und die Eizellreserve mindert.
Das Polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) ist eine der häufigsten hormonellen Erkrankungen der Frau, ca. 5 – 10 % aller geschlechtsreifen Frauen sind betroffen. Die typischen Merkmale sind ein unregelmäßiger oder fehlender Zyklus, bedingt durch einen unregelmäßigen Eisprung, ein unerfüllter Kinderwunsch, ungewollte Gewichtszunahme und / oder verstärkte Körperbehaarung, Akne und Haarausfall.
Der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe des Hormon- und Kinderwunschzentrums unter Leitung von Prof. Dr. med. Nina Rogenhofer und Prof. Dr. med. Christian Thaler gelang es, einen Risikofaktor für rezidivierendes Implantationsversagen aufzudecken: der M2-Haplotyp des Annexin A5 Gens (M2/ANXA5). Diese Genvariante führt zu einer signifikant reduzierten Expression des Annexins auf der Oberfläche des Mutterkuchens (Plazenta), welche vom mütterlichen Blut umströmt wird. Es resultiert eine thrombotische Situation in der Plazenta.
In der Tat wurden kürzlich bei Vorliegen des M2/ANXA5 plazenta-assoziierte Schwangerschaftskomplikationen wie Präklampsie, Wachstumsretardierung des Fetus, Frühgeburtlichkeit und wiederholte Aborte beschrieben. In eigenen Arbeiten konnten wir den M2/ANXA5 Haplotyp als Risikofaktor für die genannten Komplikationen bestätigen. Weiterführend gelang es erstmals eine gleiche Risikoübertragung des Vaters bei M2 Trägerschaft für Wachstumsretardierung, Frühgeburtlichkeit und wiederholte Aborte nachzuweisen. Erklärt werden kann diese Tatsache dadurch, dass der M2/ANXA5 Haplotyp embryonal kodiert wird.
Nun reiht sich in unsere wissenschaftlichen Innovationen der Nachweis, dass M2/ANXA5 ein Risikofaktor für rezidivierendes Implantationsversagen (RIF) darstellt, wobei die väterliche Risikoübertragung genauso hoch ist, wie die mütterliche. Folglich sollten bei der Abklärung eines Paares mit RIF beide Partner auf die M2/ANXA5 Variante untersucht werden. Unsere Erkenntnisse wurden bereits hochrangig im wissenschaftlichen Fachjournal „Journal of Assisted Reproductive Genetics“ veröffentlicht.
Ursachen beim Mann
Eine andrologische Untersuchung des Mannes sollte die Identifizierung möglicher Ursachen einer Fertilitätsstörung zum Ziel haben sowie Aussagen über deren Schweregrad und Therapierbarkeit ermöglichen. Umfangreiche andrologische Abklärungen nach wenigen Monaten unerfüllten Kinderwunsches sind nur dann gerechtfertigt, wenn sich aus Krankenvorgeschichte oder Befund Hinweise für eine mögliche Einschränkung der Fertilität ergeben (z.B. Hodenhochstand als Kind).
Nach ihrer Lokalisation lassen sich Störungen der Hoden, der ableitenden Samenwege und der sogenannten akzessorischen Drüsen, der Samendeposition (z.B. durch Störungen der Ejakulation (Samenerguss), Störungen des übergeordneten Hormonzentren (Hypothalamus/Hypophyse) sowie selten der Androgenrezeptoren unterscheiden. Angesichts der komplexen, häufig multifaktoriellen Genese männlicher Fertilitätsstörungen lässt sich in bis zu einem Drittel der Fälle trotz eingehender Diagnostik keine Ursache eruieren („idiopathische Infertilität“, „ungeklärte Unfruchtbarkeit“).
In fast der Hälfte der Paare mit unerfülltem Kinderwunsch liegen kleinere oder größere Störungen der männlichen Fruchtbarkeit vor. Daher sollte bei jedem Kinderwunsch-Paar auch der Mann untersucht werden. Die Spermienqualität unterliegt starken Schwankungen. Aus diesem Grund ist es notwendig zumindest zwei Samenbefunde im Abstand von ca. 3 Monaten durchführen zu lassen, um die Samenqualität zu beurteilen. Stress, Infekte und Fieber können die Spermienreifung negativ beeinflussen. Ist die Samen-Qualität eingeschränkt, spricht man von männlicher Infertilität.
Bei manchen Männern finden sich bei der Ejakulatanalyse keine Samenzellen in der Samenflüssigkeit, man spricht von einer Azoospermie. Diese Untersuchung sollte unbedingt nach einer Zeit von ca. 6 Wochen wiederholt werden, da es immer natürliche Schwankungen geben kann.
Es gibt verschiedene Ursachen für eine Azoospermie. In etwa 80 % liegt die Störung im Hoden selber. Diese können angeboren sein, durch einen unvollständigen Hodenabstieg (Maldeszensus, Hodenretention) oder durch eine genetische Veränderung der Anzahl oder der Struktur der Geschlechtschromosomen (z.B. beim Kliniefelter-Syndrom oder bei Bruchstückverlusten des Y-Chromosoms. Oder im Laufe der Zeit entstehen durch Hodenentzündungen, Verletzungen oder auch durch Bestrahlungen und/oder eine Chemotherapie. In den allermeisten Fällen lässt sich jedoch keine Ursache finden.
Seltener finden sich Störungen im Zwischenhirn (Hypothalamus) oder in der Hirnanhangsdrüse (Hyopophyse), die die Hormonbildung im Hoden negativ beeinflusst. Manchmal finden sich auch ein Verschluss der ableitenden Samenwege nach entzündlichen Erkrankungen oder nach Durchtrennung der Samenleiter.
In allen Fällen ist es aber möglich, dass im Hodengewebe noch funktionstüchtige Zellen vorhanden sind, die mittels einer TESE gewonnen werden können.
Störungen im Bereich des Hypothalamus und der Hypophyse führen zu einem Mangel der Steuerungshormone LH und/oder FSH, die üblicherweise die Hoden zur Produktion von Testosteron (LH) und Spermien (FSH) stimulieren. Hierbei sind angeborene sowie erworbene Schädigungen und Funktionsstörungen zu berücksichtigen, z.B. kongenitaler hypogonadotroper Hypogonadismus (mit oder ohne Riechstörung), eine Hypophyseninsuffizienz (Hirnanhangsdrüseninsuffizienz) oder eine Hyperprolaktinämie.
Erworbene Formen dieser Störung können durch Tumoren, Traumen, infektiöse/entzündliche Prozesse oder eine eingeschränkte Blutversorgung verursacht werden. Zu berücksichtigen sind auch durch medizinische Behandlungen verursachte Störungen (z.B. Chemotherapie oder Bestrahlungen).
Ursachen für genetisch bzw. anlage-bedingte Schäden der Hoden können z.B. das Klinefelter-Syndrom (ein zusätzliches X-Chromosom beim Mann, 47, XXY), Fehlen von Teilen in bestimmten Genregionen (AZF) auf dem langen Arm des Y-Chromosoms, der Hodenhochstand oder, seltener, das Fehlen der Hoden (Anorchie) sein.
Das Klinefelter-Syndrom tritt bei 1:500 neugeborenen Jungen auf, wird aber nur bei einem kleinen Teil diagnostiziert.
Auch wenn die meisten Männer mit Klinefelter-Syndrom keine Spermien im Ejakulat aufweisen, können sie biologische Väter werden, wenn es gelingt, Spermien direkt im Hodengewebe zu gewinnen.
Der Hodenhochstand (Maldescensus testis) ist die häufigste angeborene Anomalie des männlichen Urogenitaltraktes. In den meisten Fällen kommt es innerhalb des ersten Lebensjahres spontan zu einem Herabwandern des Hoden in den Hodensack. Gegenüber der allgemeinen männlichen Bevölkerung ist das Risiko für die Entwicklung eines Hodentumors erhöht.
Die Varikozele ist eine kranklhafte Erweiterung und Verlängerung des Venengeflechts (Plexus pampiniformis) im Hodensack. Sie tritt sie in über 85% der Fälle linksseitig auf. Mögliche Folgen diese Krampfader sind eine Erhöhung der Temperatur des betroffenen Hodens, Störung der Durchblutung des Hodens und evtl. auch Funktionsbeeinträchtigungen durch Einwirkung von Hormonen.
Infektionen und Entzündungen des männlichen Genitaltraktes (Urethritis, Prostatitis, Epididymitis (Nebenhodenentzündung), Orchitis (Hodenentzündung)) können über verschiedene Mechanismen zu einer vorübergehenden oder dauerhaften Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit führen.
Zu den immunpathologischen Prozessen im männlichen Genitaltrakt gehört die Bildung von Autoantikörpern gegen die eignenen Spermien, zumeist nach operativen Eingriffen oder anderen Traumata. Im Spermiogramm finden sich Agglutinationen (Spermien binden aneinander) sowie eine Beeinträchtigung der Spermienbeweglichkeit).
Verschlüsse der ableitenden Samenwege können zum Beispiel in den Nebenhoden oder den Samenleitern lokalisiert und entweder angeboren oder erworben sein.
Eine kongenitale bilaterale Aplasie des Vas deferens (CBAVD) bezeichnet das vollständige oder teilweise Fehlen der Samenleiter. Dadurch finden sich keine Spermien im Ejakulat, obwohl die Hoden ausreichend viele Spermien produzieren. Die CBAVD ist einer Variante der zystischen Fibrose; betroffene Männer sind aber mit Ausnahme der Fehlanlage ihrer Samenleiter gesund. Ursache sind Mutationen im Cystische-Fibrose-Transmembran-Regulator (CFTR)-Gens.
Patienten mit einer CBAVD zeigen u.a. unauffällige Hormone, keine Spermien im Ejakulat, einen erniedrigtem pH-Wert des Ejakulates und ein vermindertes Ejakulatvolumen.
Die Partnerinnen betroffener Männer müssen auch genetisch abgeklärt werden, da sie ebenfalls Anlageträgerinnen sein können, ohne erkrankt zu sein. Haben beide Partner eines Paares eine Mutation besteht ein Risiko für die Geburt eines schwer erkrnkten Kindes.
Störungen der Samendeposition (Platzierung des Ejakulates im weiblichen Genitaltrakt) können durch anatomische Fehlbildungen im Bereich des männlichen Genitales (z.B. Fehlanlagen der Harnröhrenöffnung beim Mann, hochgradige Verengungen der Vorhaut (Phimose), Deviationen (Verbiegungen) des Penisschaftes) und funktionell durch Beeinträchtigungen von Erektion oder Orgasmus und Ejakulation verursacht werden.
Eine Vielzahl von Faktoren der Lebensführung können Einfluss auf die Spermaqualität und damit die Fruchtbarkeit eines Mannes haben.
Dazu gehören Übergewicht, körperliche Betätigung, Ernährung, Wärmeexposition der Hoden (z.B. durch überwiegend sitzende Tätigkeit, heiße Bäder, Saunabesuche, Kleidung) oder Genussgifte (Nikotin, Alkohol, Drogen). Nicht bei allen Einflussfaktoren gelten die Zusammenhänge als gesichert.
Medikamente können Störungen der Erektionsfähigkeit und Ejakulation bewirken; es müssen aber auch direkte Einflüsse auf die Spermienproduktion oder die hormonellen Regulationsmechanismen berücksichtigt werden.
Die am besten untersuchten Substanzen mit direkter Schädigung der Hoden sind Chemotherapeutika.
Daneben können Hormone wie Östrogene oder Androgene, aber auch Glukokortikoide in höherer Dosierung durch negative Feedback-Mechanismen die Ausschüttung von Gonadotropinen und damit die Spermienproduktion hemmen. So führen Anabolika in der Regel zu einem Verlust der Spermien im Ejakulat.
Auch aus medizinischen Indikationen verabreichte Testosteronprodukte sollten bei aktuellem Kinderwunsch abgesetzt werden. Selbst wenn schon vor der Gabe von Testosteron keine Spermien mehr nachweisbar sind, sollte kein Testosteron gegeben werden, da es eine evtl. noch bestehende Restbildung von Spermien im Hoden unterdrücken würde. Als Folge davon könnten dann auch durch Entnahme von Hodengewebe für eine testikuläre Spermienextraktion (TESE) keine Spermien mehr nachweisbar sein.
Auch Substanzen wie niedrig dosiertes Finasterid zur Vermeidung des männlich bedingten Haarausfalles können in einigen Fällen zur einer reduzierten Spermaqualität führen.
Schwierig ist die Beurteilung des individuellen Risikos für eine Beeinträchtigung der männlichen Fruchtbarkeit durch Umwelteinflüsse wie Umweltchemikalien, Berufsstoffe oder Strahlung. Zu den als gesichert geltenden Noxen gehören ionisierende Strahlung und Hitze, Schwermetallverbindungen, Pestizide und bestimmte organische Lösungsmittel. Auch polychlorierte Biphenyle (PCB), Dioxine, Bisphenol A, Alkylphenole oder Phthalate sowie Belastung durch Mikroplastik sind mit eingeschränkter Spermaqualität in Verbindung gebracht worden.
Unsere Kooperationspartner:
Urologische Klinik Großhadern
Prof. Dr. med. Armin Becker
Tel 089/4400-73530